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Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen

In Kooperation mit:

Archiv
September bis Dezember 2010

 

 

"Letztes Angebot" an NS-Opfer:

Überlebende der Reichsbahn-Beihilfe zum Massenmord erhalten 25 Euro

Einem "letzten Angebot" der DB AG haben sich die osteuropäischen Opfer der NS-Deportationen gebeugt. Die Überlebenden der Reichsbahn-Transporte in die Konzentrations- und Vernichtungslager hatten die DB AG um Unterstützung für ehemalige Häftlinge gebeten, die sich in hohem Alter befinden und hinfällig sind. Nach monatelangen Verhandlungen präsentierte der DB Vorstand Ende September ein "letztes Angebot". Wäre es nicht angenommen worden, sollten die Opfer leer ausgehen, berichten Verhandlungsteilnehmer.

Demnach entfällt auf die etwa 200 Tausend Überlebenden der Reichsbahn-Beihilfe zum Massenmord ein einmaliger Gesamtbetrag in Höhe von 25 Euro pro Person. Die 25 Euro werden von der DB AG auf mehrere Jahre verteilt, so daß das Unternehmen pro Jahr und Person lediglich 5 Euro abgeben will. Statt den Betrag zur individuellen Auszahlung zu bringen, wird er einer deutschen Stiftung übereignet. Sie entscheidet über die Verteilung, entwirft "Projekte" und erhebt Verwaltungskosten. Die Verteilung erstreckt sich auf Überlebende in Polen, der Tschechischen Republik, der Ukraine, in Weißrussland und Russland. In diesen Ländern lebt ein Großteil der Reichsbahn-Opfer unter sozial schwierigen Verhältnissen und erhielt niemals deutsche Entschädigungen.

Bei den im Juni 2010 begonnenen Verhandlungen hatten es die Unterhändler des DB-Vorstands abgelehnt, die Opfer aus den Deportationseinnahmen der Reichsbahn zu restituieren. Dieses Blutgeld (mindestens 445 Millionen Euro heutiger Währung) wurde nach Kriegsende weder von den Reichsbahn-Erben in der Bundesrepublik noch von den Rechtsnachfolgern in der DDR zurück gezahlt. Inklusive Zinsen ist ein Betrag von 2,2 Milliarden Euro aufgelaufen. Auch anfängliche Bitten um humanitäre Hilfe im Wert von ca. 150 bis 300 Euro je Opfer wiesen die Unterhändler des DB-Vorstands zurück. Ihr erstes Angebot lautete auf eine "Spende" im Gesamtwert von 5 Euro pro Deportationsopfer (1 Million Euro) und wurde bis Ende September auf einmalig 25 Euro (insgesamt 5 Millionen Euro) erhöht.

Die deutsche Bürgerinitiative "Zug der Erinnerung", die das Verhalten der DB AG als "soziale Nötigung" bezeichnet, prüft eine Klage vor internationalen Gerichten. "Schuld und Schulden der Bahn-Eigentümer sind weder finanziell noch moralisch abgegolten", heißt es in einer Stellungnahme des gemeinnützigen Vereins. "Die DB AG, das größte europäische Logistikunternehmen mit Milliardeneinnahmen, wird ihren Verpflichtungen nicht entgehen."



1.196 Kinder

Am 5. Oktober 1943 verließ ein Bahntransport mit dem Kürzel "Dn" das Ghetto Theresienstadt. Die Waggons warteten auf den Gleisen des Bahnhofs Bohusovice. Aus einer Entfernung von etwa 500 Metern beobachtete ein Zeuge die Szene: 1.196 Kinder standen zum Abtransport bereit. "Ich sah, daß die Deutschen die Kinder in solchen Mengen in die einzelnen Waggons drängten, daß ich dachte, sie würden auf der anderen Seite wieder herausgedrückt." Um die Kinder auf ihrer Reise zu betreuen, hatten sich Gefangene aus dem Ghetto gemeldet, darunter ein Arzt und eine Krankenschwester. Wie die Kinder glaubten sie Gerüchten, der Transport ginge in die Schweiz oder werde im Austausch gegen deutsche Kriegsgefangene organisiert. Nach zweitägiger Fahrt erreichte "Dn" am 7. Oktober das Ziel: Auschwitz. "Kinder und Betreuer wurden von der Rampe direkt ins Gas geführt."



Partylaune

Bundesverkehrsminister Ramsauer (links) und Bahnchef Grube (rechts) feiern 175 Jahre deutsches Eisenbahnwesen. Das Jubiläum soll Nürnberg und Fürth, die Städte der ersten regulären Schienenverbindung, in Partylaune versetzen. Im Musical "Bahn frei" hat die "Ludwigsbahn-Samba" Premiere und der "Lampenfieber-Blues" lässt die "Goldenen Zwanziger Jahre" auferstehen. Auf Großleinwänden präsentiert das Nürnberger Planetarium die "Geschichte der Mobilität" und versetzt das Publikum in einen "Rausch der Bilder" (Nürnberger Nachrichten). Die Erinnerung an 3 Millionen Menschen, die von den deutschen Eisenbahnen in den Tod gefahren wurden, lässt sich mit der Nürnberger Partylaune nicht vereinbaren. Das Großereignis, das am 7. Dezember seinen Höhepunkt erreichen soll, wirkt obszön.



Auf deutschem Müll

In den Resten einer süddeutschen Wohnungsauflösung fanden Mitbewohner die Blätter eines Fotoalbums. Der Eigentümer war 2009 entweder verzogen oder verstorben; seine Erinnerungen schienen jenen Wert anzunehmen, den wir Altpapier zumessen. Die Fotoseiten enthalten die üblichen Ablichtungen und zeigen unter dem Jahrestitel "1932" mehrere Strandszenen in den Niederlanden. Drei Kinder spielen im Wasser der Nordsee.

Den Randnotizen ist zu entnehmen, dass es sich um Lore, Otto und Heinz Stern handeln muss, offenbar Bekannte der Person, die das Fotoalbum zurückgelassen hat. Im handschriftlichen Text heißt es über die drei Stern-Kinder: "(Sie) starben mit ihren Eltern während des Krieges in Litzmannstadt. Sie wohnten bis 1931 in D(üssel)dorf mit uns zusammen und flüchteten vor dem Hitlerregime" nach Holland, "wo ich 1932 zu Gast sein durfte".

Die Tage an der Nordsee scheinen zu den wertvollen Augenblicken zu gehören, die der Verfasser in der Fotorückschau festhalten wollte. Jedoch bleibt sein Text nicht privat. Wenn auch codiert bespricht er das größte Menschheitsverbrechen und lässt einen Anflug von Trauer erkennen. Die Erben, die das Album in den Müll warfen, konnten damit nichts anfangen.

Die Sterns wurden nicht in Lodz ("Litzmannstadt") ermordet. Mit der "Deutschen Reichsbahn" führte ihr Weg nach Sobibor und Auschwitz. mehr



Den Forderungen Nachdruck verleihen

Die Deutsche Bahn AG hat ihr Angebot an die Überlebenden der "Reichsbahn"-Deportationen erhöht und bietet jetzt pro Person 20 Euro an - verteilt über drei Jahre. Der Betrag entspricht etwa 55 Cent pro Monat und soll nur indirekt zur Auszahlung kommen: auf dem Umweg über die Bundesstiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" (EVZ). Demnach würde die Berliner EVZ "Förderprogramme" auflegen. Jede direkte Beziehung zwischen dem "Reichsbahn"-Nachfolger Deutsche Bahn AG und den Opfern des Vorgängerunternehmens soll vermieden werden.

"Das Angebot löst unter den Betroffenen Unruhe aus", heißt es in einem Memorandum, das der "Zug der Erinnerung" am 08. September veröffentlicht hat. "Es ist geeignet, sowohl in Deutschland wie im europäischen Ausland und weltweit Empörung auszulösen."

Der "Zug der Erinnerung" weist darauf hin, dass die bei den "Reichsbahn"-Deportationen erzielte Einnahmesumme (Gutachten) bereits auf 2,2 Milliarden Euro aufgelaufen ist, berücksichtigt man eine Verzinsung zu 2,5% ab 1945. Die Deportationseinnahmen wanderten von der SS über die "Reichsbahn" ins "Reichsverkehrsministerium" und damit in die Staatskassen. Erbin ist die Bundesrepublik Deutschland, die heute Alleineigentümerin  der DB AG und Schuldnerin ist (Erklärung).

Dass die DB AG jetzt Centbeträge für angemessen hält, um den Opfern des Vorgängerunternehmens entgegenzukommen, sei für die Überlebenden "beleidigend", heißt es in dem Memorandum, das auch den Außenministerien der ehemals okkupierten Länder zur Verfügung gestellt wurde.

Der "Zug der Erinnerung", der die bisherigen Gespräche zwischen DB AG/EVZ einerseits und zahlreichen Opferorganisationen andererseits für gescheitert hält, verlangt die Einrichtung eines Runden Tisches. Bis zum 7. Dezember 2010, dem von der DB AG und der Bundeskanzlerin geplanten Auftritt zum 175. Jahrestag des deutschen Eisenbahnwesens, müsse eine gemeinsame Empfehlung vorliegen. "(D)ie Auszahlung an die bedürftigen Opfer (einschließlich der Opfer in der Bundesrepublik Deutschland)" soll "zügig beginnen... An diesem Runden Tisch muss die deutsche Zivilgesellschaft, die in Fragen der 'Reichsbahn'-Verbrechen vom 'Zug der Erinnerung' vertreten wird, ohne Einschränkung beteiligt sein." (Memorandum)

Für den kommenden Herbst und Winter kündigt die Bürgerinitiative an, ihren Forderungen nach moralischer und materieller Restitution der "Reichsbahn"-Opfer auf mehreren Bahnhöfen Nachdruck zu verleihen.



Angemessen entschädigen

In den europäischen Nachbarländern wird der "Reichsbahn"-Opfer gedacht. Das Foto zeigt Adam Bielak, einen "Reichsbahn"-Deportierten aus Polen, der am "Zug der Erinnerung" die Toten ehrt. In der Bundesrepublik Deutschland wird das Ausmaß der "Reichsbahn"-Verbrechensbeihilfe noch immer verschleiert. Ohne die "Reichsbahn" wäre es unmöglich gewesen, etwa 3 Millionen Menschen in die Vernichtungslager zu verschleppen. In zahlreichen Fällen mussten die Deportierten ihren Weg in Elend und Tod selbst bezahlen. Dabei nahmen "Reichsbahn" und Verkehrsministerium Millionensummen ein. Bis heute weigern sich die Täter-Erben, diese Einnahmen zu erstatten, und bieten den Opfern Brosamen an. Haben DB AG und Verkehrsministerium kein Geld? Allein für den Umbau der Stuttgarter Bahnhofsanlagen stellen DB AG und Verkehrsministerium 2,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Für den Ankauf eines britischen Bahnkonkurrenten zahlt die DB AG in diesem Jahr 2,7 Milliarden Euro. Die DB AG ist auf dem europäischen Logistikmarkt  Nr. 1 und will unter anderem nach Polen sowie in die osteuropäischen Staaten expandieren. Die DB AG muss die Opfer, denen das Vorgängerunternehmen ("Deutsche Reichsbahn") Gesundheit und Leben runierte, angemessen entschädigen.











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