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Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen

In Kooperation mit:


Archiv

Gedenken und Handeln

An der Selektionsrampe in Auschwitz:
Gedenkstättenfahrt mit dem "Zug der Erinnerung" (2008)

In der Winterpause bereitet der "Zug der Erinnerung" eine Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz vor. Es ist das zweite Mal, dass der Verein mit Jugendlichen aus ganz Deutschland für mehrere Tage in das frühere Lager fahren wird. Über 100 Teilnehmer werden Gelegenheit haben, im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau nach den Spuren der aus ihren Städten deportierten Kinder zu suchen oder bei Begegnungen mit ehemaligen Häftlingen das NS-Zwangssystem besser zu verstehen. Zu diesem System gehört auch die Indienststellung zehntausender Deportierter für Zwecke der deutschen Kriegsindustrie.

Das regionale Zentrum der industriellen Ausbeutung war Auschwitz-Monowitz, ein auch für heutige Verhältnisse riesiger Fabrikkomplex, in dem Nachschub für die Front hergestellt wurde, vor allem durch den Chemiekonzern IG Farben (Maschinerie der Vernichtung). Im direkten Umfeld des IG-Farben-Geländes befanden sich in Auschwitz-Monowitz unzählige kleinere Zuliefererbetriebe, deren Arbeitskräfte die SS aus dem Stammlager zuführte. Diese Personalquelle schien unendlich groß: Aus jedem neuen Transport der verschleppten Juden oder Sinti, den die "Reichsbahn" aus ganz Europa ankarrte, filterten die NS-Spezialisten überlebensfähige Gefangene für ein kurzes Dasein als Arbeitssklaven. Alle anderen wurden ermordet. Dieser Zusammenhang zwischen rassistischen Motiven und ökonomischen Interessen wird in Auschwitz nicht immer offenbar - zu ungeheuer ist der Eindruck, den die eigentlichen Mordstätten hinterlassen.

Das im heutigen Auschwitz-Museum nur schwer fassbare Zusammenspiel zwischen staatlichen Auftraggebern und ihren privatwirtschaftlichen Zulieferern wurde in Berlin koordiniert. Hier saß nicht nur das Reichssicherheitshauptamt (RSHA), das bei der "Reichsbahn" die Deportationszüge bestellte; hier sorgten die Ministerien für eine möglichst reibungslose Durchleitung der Gewinne aus Sklavenarbeit und Mordgeschehen.

Diese Zusammenhänge besser kennen zu lernen, ist eines der Ziele, denen sich die diesjährige Gedenkstättenfahrt annähern will: Bevor die Teilnehmer in Auschwitz eintreffen, werden sie in Berlin Gelegenheit haben, einige jener Orte kennenzulernen, in denen der Masterplan des deutschen Großverbrechens erdacht und zur Umsetzung angewiesen wurde.

Der "Zug der Erinnerung" verbindet das Gedenken mit konkreten Hilfsmaßnahmen (Schuld und Schulden). Projekte, die den Überlebenden der Deportationen direkt zugute kommen, werden gegenwärtig geprüft und sollen bereits zu Jahresbeginn realisiert werden.



Die Perspektive der Opfer

Jugendliche nach ihrer Befreiung im KZ Buchenwald (1945)

Nach 18 Stationen seiner neuen Reise geht der "Zug der Erinnerung" in die diesjährige Winterpause. Er war Anfang Oktober in Rheinland-Pfalz gestartet und fuhr anschließend durch das Saarland, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Wie die pädagogischen Zugbegleiter berichten, kamen auf dieser Strecke über 44.000 Besucher auf die Bahnhöfe, um der Deportierten zu gedenken. Der Zug wird auch im neuen Jahr dazu beitragen, die Erinnerung an die Opfer wach zu halten und vor Rassismus und nationalem Größenwahn zu warnen. Über das Gedenken darf das Handeln nicht vergessen werden: Den Überlebenden der "Reichsbahn"-Deportationen muss auch materiell geholfen werden (Gutachten).

Über die Hälfte der 44 Tausend Besucher waren SchülerInnen und Jugendliche. Teilweise monatelang vor Ankunft des Zuges begannen sie mit der örtlichen Spurensuche nach den Opfern - nach Kindern, die zwischen 1938 und 1945 verschleppt worden waren. Dokumente der Deportierten (private Fotos, Briefe, Ausweise und Meldekarten) stellten die Stadt- oder Landesarchive bereit. An mehreren Sationen wurde diese Recherche zum ersten Mal in Angriff genommen und dauert auch nach Weiterfahrt des Zuges an. Die lokale Spurensuche und der Abgleich mit zentralen Archiven führten erneut zu einer Vervollständigung der Gedenkbücher (Städte und Namen). Den Initiatoren des Zuges geht es dabei weniger um die Aktualisierung von Statistiken über die Verbrechensopfer. An erster Stelle steht der Wunsch, die ermordeten Kinder und Jugendlichen aus dem Vergessen zurückzuholen und ihren verlorenen Platz neu zu besetzen: in der öffentlichen Erinnerung ihrer früheren Geburts- und Wohnorte, in den Schulen, die sie besuchten, und auf den Bahnhöfen, über die sie deportiert wurden. Einen solchen Platz sollen sie auch in den Gefühlen der deutschen Besucher finden, deren Familiengeschichten Täter und Mitläufer bestimmen. Wer sich zu den Verbrechen der deutschen Vergangenheit bekennt, wird in der Gegenwart entschlossener handeln können, sobald er die Perspektive der Opfer einnimmt.



Verhöhnung der Opfer

An diese Verladerampe, eine Industriebrache mit einbrechendem Dach, will die DB AG den "Zug der Erinnerung" in Eisenhüttenstadt verschieben. Unter ähnlichen Umständen wurden die Kinder der Region vom DB-Vorgänger "Reichsbahn" in den Tod gefahren: Klaus Wolfgang Klein aus Fürstenberg (heute: Eisenhüttenstadt), der am 23. Mai 1943 im  Vernichtungslager Auschwitz sterben musste, Walter Lewin, der im Warschauer Ghetto endete, und Manfred Meyer, ein zwölfjähriger Junge, dessen letzte Station das Mordlager Kulmhof (Chelmno) war. Die Verhöhnung dieser Opfer und aller anderen Ermordeten nimmt der "Zug der Erinnerung" nicht hin.

Trotz mehrfacher Proteste wollte die DB AG dem "Zug der Erinnerung" keinen anderen Gedenkort anbieten als diese Industriebrache. Obwohl in Eisenhüttenstadt ausschließlich Regionalzüge verkehren und eine ernsthafte Einschränkung des Personen- oder Güterverkehrs nicht stattfinden kann, blieb das Unternehmen bei seiner kategorischen Sperrung. Nach Aussagen der DB AG hatten an dieser Entscheidung auch Vertreter der Stadt Anteil: Sie ermutigten demnach das DB-Management, dem Regelfahrplan oberste Priorität einzuräumen - in der Folge würde die Ehrung der Deportierten im Schmutz stattfinden. "Dies ist das erste Mal, daß eine Kommune ihr Desinteresse an den Opfern in so beschämender Weise dokumentiert", heißt es  in einer Pressemitteilung der Bürgerinitiative vom 01. Dezember.

Der skandalöse Umgang mit dem Gedenken betrifft eine Region, die Umschlagplatz der "Polen-Aktion" war. Hier strandeten zahlreiche polnische Juden, nachdem sie Opfer der ersten großen Massendeportation des NS-Regimes geworden waren (1938). 17.000 Menschen mit polnischem Pass wurden in ganz Deutschland zusammen getrieben und über die Grenze abgeschoben. Dabei kam es zu Gewalttätigkeiten. Eine unbekannte Anzahl der Deportierten starb. Wer das Glück hatte, nach Hause zurück kehren zu dürfen, wurde zum Verkauf des gesamten Besitzes genötigt. Für Tausende war es der Auftakt zur Vernichtung, die wenige Jahre später in den Tötungslagern des NS-Regimes statt fand.

Sowohl bei der "Polen-Aktion" als auch bei den folgenden Schleusungen leistete die "Deutsche Reichsbahn" logistische Verbrechensbeihilfe. Daß die historischen Erben der "Reichsbahn" deswegen eine besondere Verpflichtung vor den Opfern ihres Vorgängerunternehmens haben, wird von der heutigen Deutschen Bahn AG nicht in Abrede gestellt. Doch in der Praxis zeigt sich, daß diese Verpflichtung auf immer neue Widerstände stößt. Die Hoffnung, daß das Unternehmen zu einer unzweideutigen Haltung findet, bleibt uneingelöst. 









Fehlender historischer Bezug

Der "Zug der Erinnerung" wird die Station Eisenhüttenstadt (Brandenburg) unter unwürdigen Bedingungen nicht anfahren (Pressemitteilung). Dies entschied die Bürgerinitiative nach wochenlangen, aber vergeblichen Bemühungen um eine angemessene Ehrung der deportierten NS-Opfer. Die DB AG weigert sich, auf dem Bahnhof Eisenhüttenstadt ein Personengleis für das Gedenken an die Verschleppten frei zu geben. Statt dessen bietet sie eine demolierte Güterrampe jenseits des eigentlichen Bahnhofs an.

Der "Zug der Erinnerung" würde dort in den Ruinen einer verfallenen Verladehalle stehen (Fotos). Auch an anderen Stationen der jetzigen Fahrt hatte die DB der Erinnerung an die Opfer Abstellgleise ohne Bahnsteig oder Beleuchtung zugewiesen (u.a. Pirmasens, Walsrode, Schwarmstedt, Hannover). Die Besucher mussten sich teilweise über Behelfstreppen und Schienenschotter einen Weg zum Zug bahnen.

Aber nicht nur die Verantwortlichen der DB AG, auch kommunale Stellen in Eisenhüttenstadt werden ihrer Verantwortung nicht gerecht. Die Beteiligung von Schülern an der Spurensuche nach den deportierten Kindern aus Eisenhüttenstadt sei "ausgeschlossen", wurde dem "Zug der Erinnerung" mitgeteilt - wegen eines angeblich "fehlenden konkreten historischen Bezug(s)". Die Kommunalverwaltung scheint nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, dass aus Eisenhüttenstadt (dem vormaligen Fürstenberg) dutzende Deportierte stammen. Unter ihnen sind mindestens drei Kinder. Der "Zug der Erinnerung" wird diese Kinder in einer besonderen Zeremonie ehren.



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